Fragst du noch oder glänzt du schon?
Es ist ja nun mal so: in einem Bewerbungsgespräch sitzen sich zwei Parteien, Arbeitgeber:in und Bewerber:in gegenüber, die zum Ziel haben, eine Zusammenarbeit einzugehen. Beide präsentieren sich von ihrer besten Seite, was einige Gefahren mit sich bringt. Wie kann ich als Arbeitgeber:in heraus finden, dass der:die Bewerber:in der:die Richtige ist? Nun, eines gleich vorweg. Eine 100%ige Garantie hat man in der Personalauswahl natürlich nie, aber es gibt ein besonders wirksames Mittel, mit dem man feststellen kann, ob ein:e Bewerber:in bestimmte Kompetenzen mitbringt, die für den künftigen Job absolut wichtig sind und zu einem „perfect match“ führen.
Abgesehen von Assessment Center und Schnuppertag liefert das kompetenzbasierte Interview eine sehr hohe Validität und sollte daher ein Standardinstrument im Bewerbungsprozess sein. Das kompetenzbasierte Interview ist ein gutes Tool, um aus der Vorgehensweise einer Person in der Vergangenheit, auf deren künftiges Verhalten schließen zu können. Konkrete Beispiele und eine Beschreibung, was eine Person in einer vergangenen Situation gesagt, getan oder gefühlt hat, können Auskunft darüber geben, ob eine gewünschte Kompetenz, in einer gewissen Stärke vorhanden ist. Bei der Fragetechnik kann das sogenannte STAR-Modell zur Hilfe genommen werden. Das „S“ steht dabei für „Situation“: Als Interviewer:in möchte ich, dass mir der:die Bewerber:in eine konkrete Situation aus der Vergangenheit beschreibt, z.B. in welcher Situation diese:r besonders kundenorientiert gehandelt hat. Das „T“ steht für „Tasks“. Dabei lasse ich mir von dem:der Bewerber:in erklären, welche konkreten Aufgaben in einer Situation übernommen wurden. Das „A“ steht für „Actions“. Hier möchte ich erfahren, wie genau eine Person in einer konkreten Situation vorgegangen ist, welche „Aktionen“ gesetzt wurden und was die Gefühle dabei waren. Last but not least möchte ich durch das „R“, das für „Result“ steht erfahren, was das Ergebnis in einer Situation war. Am Ende soll es durch geschicktes Fragen möglich sein, herauszufinden, ob jemand eine Kompetenz mitbringt, die für den konkreten Job wichtig ist, wie z.B. Kundenorientierung. Mögliche Beispielfragen für das Interview, findest du am Ende dieses Beitrages.
Wichtig beim kompetenzbasierten Interview ist vor allem eine gute Vorbereitung. Ich muss mir für einen konkreten Job vorab überlegen, welche Kompetenzen mir besonders wichtig sind und welche davon in welcher Ausprägung vorhanden sein müssen. Im Idealfall sollten daher auch die Stellenbeschreibungen im Unternehmen sowie das gesamte Recruiting an Kompetenzen ausgerichtet sein, damit auch das kompetenzbasierte Interview sinnvoll herangezogen werden kann. Um eine gute Entscheidungsbasis zu erlangen, sollte ich allen Bewerber:innen die gleichen kompetenzbasierten Fragen stellen, um Vergleichbarkeit herstellen zu können. Wichtig ist festzulegen, was für die konkrete Position positive oder negative Antworten der Bewerber:innen sein könnten und wie ich die Antworten gewichten möchte. Man sollte sich im Gespräch auf jeden Fall Notizen machen, damit man sich die Antworten noch einmal genau ins Gedächtnis rufen kann. Darüber hinaus sollte man sich Gedanken machen, wie es zu bewerten ist, wenn eine Person überhaupt kein Beispiel zu einer Situation aus der Vergangenheit nennen kann.
3 wichtige Dinge sind vor allem bei dieser Interviewtechnik entscheidend, sollten aber generell für alle Bewerbungsgespräche gelten:
- Gute Vorbereitung
- Gute Nachbereitung
- Interesse & Wertschätzung
Und Achtung! Es gibt auch drei Fehler, die dir so auf keinen Fall unterlaufen sollten:
- Schlechte/Keine Vorbereitung oder mangelnde Kenntnis der Jobanforderungen
- Bewerber:innen konkrete Situationen vorgeben (es könnte sein, dass der:die Bewerber:in eine solche noch nicht erlebt hat)
- Suggestivfragen, verschachtelte Fragen, Fragen die schon Teile der Antwort enthalten
Aus der Praxis kann ich sagen, dass sich vor allem bei internen Bewerbungen (innerhalb des eigenen Unternehmens) das kompetenzbasierte Interview bewährt hat. Es gibt nicht nur dem:der Arbeitgeber:in Sicherheit, die richtige Person für den Job auszuwählen, sondern liefert auch dem:der Bewerber:in komplette Transparenz, warum es für den konkreten Job vielleicht nicht gereicht hat und kann somit auch für eine wertschätzende Absage herangezogen werden.
Fazit: Kompetenzbasierte Fragen sollten eigentlich in allen Bewerbungsgesprächen schon längst Standard sein. Eine höhere Validität liefert nur das Assessment Center und dafür fehlen oft die Ressourcen oder das Know-How. Darüber hinaus wird es durch den Fachkräftemangel immer wichtiger nach Kompetenzen und Potenzialen zu recruitieren und nicht mehr stur nach, teilweise schon veralteten, Anforderungsprofilen. Ich ermutige alle, es einfach einmal auszuprobieren!
Hier, wie versprochen noch ein paar Beispielfragen:
- Fällt/Fallen Ihnen (eine) Situation/en ein, bei der/denen Sie in Ihrer Funktion ganz
besonders herausgefordert waren? ODER Fällt Ihnen eine Situation ein, in der Sie ein besonderes Hindernis überwinden mussten? - Was war das Ergebnis der Situation?
- Wie haben Sie sich in diesem Moment gefühlt?
- Wie haben Sie die Situation eingeschätzt?
- Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt um das Ergebnis zu erreichen?
- Inwiefern würden Sie Ihre Maßnahmen verbessern oder verändern wenn in der Zukunft diese Situation nochmal auf Sie zukommen sollte?
- Was haben Sie daraus gelernt?
Praxistipp: Lasst dem:der Bewerber:in Zeit bei der Beantwortung der Fragen und bereitet sie eventuell kurz darauf vor, dass nun kompetenzbasierte Fragen kommen. Da ein Bewerbungsgespräch immer ein wenig unter Anspannung und Nervosität statt findet, kann man so ein wenig den Druck heraus nehmen.