Wenn Langeweile im Job zum Problem wird
In einer Zeit, in der Burnout, also Stress durch Überforderung häufig in den Schlagzeilen ist, bleibt das gegenteilige Phänomen, Boreout, oft unbeachtet. Doch gerade Boreout kann für Betroffene ebenso belastend sein und Stress auslösen. Boreout ist ein schleichender Prozess. Phasen von zu wenig Arbeit werden zu Beginn noch als angenehm empfunden und Betroffene verschleiern die Situation, indem sie so tun, als wären sie beschäftigt. Hält die Phase der Unterforderung jedoch über einen langen Zeitraum an, kann daraus eine echte psychische Belastung entstehen, weil Betroffene das Gefühl haben, Lebenszeit einfach nur abzusitzen. Der Selbstwert sinkt und Betroffene zweifeln an ihren eigenen Kompetenzen. Im Extremfall können gewisse Kompetenzen, wie analytisches Denken und die Fähigkeit der Problemlösung sogar verlernt werden und das weitere Fortkommen in der Karriere behindern.
Darüber hinaus kann eine echte Sinnkrise entstehen, wo Betroffene nicht nur an sich selbst zweifeln sondern gar nicht mehr wissen, was sie können und den Glauben in ihre Stärken verlieren. Es sind nicht etwa faule oder wenig ambitionierte Menschen, die von Boreout betroffen sind. Es betrifft vor allem hoch motivierte und engagierte Menschen, die für das Unternehmen viel mehr leisten könnten, aber aus unterschiedlichsten Gründen gebremst werden. Am Ende kostet es Unternehmen viel Geld, denn Mitarbeiter:innen sind häufiger krank oder scheiden am Ende ganz aus dem Unternehmen aus. Die Lücke muss dann erst wieder einmal gefüllt werden und die Mehrarbeit bleibt an den Kolleg:innen hängen. Worauf man achten muss und wie man Boreout verhindern kann, lest ihr in diesem Blogartikel.
Was ist Boreout?
Der Begriff „Boreout“ (englisch: „to bore“ = sich langweilen) wurde erstmals 2007 von Rothlin und Werder erwähnt und beschreibt ein Phänomen, wo durch anhaltende Unterforderung, Desinteresse und Langeweile am Arbeitsplatz, psychische Probleme entstehen können. Anders als ein stressreicher Job, führt hier das Fehlen von Herausforderungen oder von zu wenig Arbeit zu einer Spirale aus Demotivation und Frustration. Boreout tritt vor allem dann auf, wenn Betroffene die belastende Situation über längere Zeit hinweg aufrechterhalten, anstatt aktiv dagegen vorzugehen.
Wer kann betroffen sein? Boreout kann theoretisch jede:n treffen, insbesondere aber:
- Mitarbeiter:innen, die weit unter ihrem Potenzial arbeiten müssen oder für die Aufgaben überqualifiziert sind
- Jüngere Mitarbeiter:innen: Studien zeigen, dass 47 % der 18- bis 34-Jährigen glauben, sie könnten wertvoller für ihr Unternehmen sein. Ein Grund für die Unterforderung kann hier sein, dass man ihnen gewisse herausfordernde Aufgaben noch nicht zutraut und diese dann an andere Personen vergibt
- Mitarbeiter:innen mit fehlender Entwicklungsmöglichkeit oder mit monotonen Aufgaben
- Ältere Mitarbeiter:innen: die häufig in der letzten Phase ihrer beruflichen Karriere sind und dann aufs Abstellgleis geraten können
- Mütter, die nach der Karenz in Teilzeit wieder zurück ins Unternehmen kommen: diese bekommen dann aufgrund ihres Stundenausmaßes oft nur sehr langweilige und wenig herausfordernde Aufgaben, obwohl sie viel mehr leisten könnten
- Menschen, die sich stark über den Job definieren und für die es daher unerträglich ist, zu wenig zu tun zu haben; ebenso High-Sensation-Seeking-People, denen schnell langweilig wird, wenn sie keine spannenden Reize erleben können
- Hochintelligente Menschen
- Menschen, die von Umstrukturierungen betroffen sind: hier fällt oft plötzlich ein ganzer Aufgabenbereich weg oder das Aufgabegebiet verändert sich dramatisch
Hauptursachen: Die Hauptursachen sind vielschichtig und reichen von strukturellen Mängeln in Unternehmen bis hin zu individuellen Faktoren:
- Unterfordernde oder sinnentleerte Aufgaben
- Ein Mangel an Anerkennung und Wertschätzung durch Vorgesetzte
- Zu wenig Arbeit oder fehlende Entwicklungsperspektiven
- Aufgaben, die nicht den Kompetenzen oder Interessen der Mitarbeitenden entsprechen
- Wenig oder keine Einbindung in Entscheidungen
- Keine oder unklar formulierte Ziele
Warum steigen Betroffene nicht aus der Negativspirale aus?
Warum Betroffene die Situation nicht verändern hat viele Gründe. Einerseits spielt die Situation am Arbeitsmarkt eine Rolle und die Frage, ob und wie schnell man wo anders einen adäquaten Job findet. Vor allem für ältere Mitarbeiter:innen kurz vor der Pension, kann das eine unüberwindbare Hürde werden. Darüber hinaus unterliegen viele ältere Mitarbeiter:innen noch der Abfertigung ALT (Österreich), wo sie viel Geld verlieren würden, wenn sie selbst den Job kündigen und das Unternehmen verlassen. Ein Jobwechsel ist außerdem immer mit Unsicherheit und somit einer gewissen Angst verbunden. Man muss seine Komfortzone verlassen und sich woanders neu einfinden. Das kann für manche zu einer unüberwindbaren Herausforderung werden und der Preis für den Jobwechsel ist höher, als im bestehenden Job zu verweilen, auch wenn dieser belastend ist. Weiters ist das Auflösen der Situation mit Scham verbunden. In der westlichen Welt wird Leistung immer noch nach Anwesenheitszeit im Unternehmen honoriert. Daher ist es so schwierig für die Betroffenen die Situation aufzulösen. Mitarbeiter:innen, die zu wenig Arbeit haben, werden oft belächelt und abgestempelt, nach dem Motto: “Wer zu wenig Arbeit hat ist selbst Schuld.“ Viele Betroffene verschleiern die Situation daher und wollen beschäftigt wirken, um nicht aufzufallen. Sie erledigen Privates in der Arbeit und tragen sich Faketermine ein, suchen aber nicht das Gespräch. Es kann ihnen peinlich sein, vor allem wenn Menschen in ihrem Umfeld viel Arbeit haben und über Stress klagen.
Handlungsmöglichkeiten: Wie entkommt man dem Boreout? Es gibt Wege, aktiv gegen Boreout vorzugehen – sowohl als Betroffene:r als auch als Unternehmen:
Wege aus dem Boreout für Betroffene:
- Selbstreflexion: Beobachte deine Situation genau – wie fühlst du dich, und warum ist das so? Führe Tagebuch und schreib dir auf, was dir im Job Spaß macht und was nicht. Was sind es konkret für Aufgaben, die dich langweilen? Ist Veränderung möglich? Liegt es in deinem Einflussbereich? Wen oder was brauchst du, damit Veränderung möglich wird? Es ist besonders wichtig, dass du dir die Situation bewusst machst und überlegst, was du brauchst, um wieder motiviert und glücklich zu sein
- Offene Gespräche: Sprich mit deinem:deiner Vorgesetzten über deine Situation und sucht gemeinsam nach Lösungen. Hier ist es wichtig mutig zu sein und zu handeln. Viele Menschen suchen das Gespräch nicht und verweilen demotiviert in ihrem Job, weil sie Angst haben, wenn sie das Thema ansprechen, könnte ihr Job in Frage gestellt werden und es könnte die Kündigung folgen
- Stärken reaktivieren: Erkenne deine Talente und überlege, wie du sie besser einsetzen kannst. Hier kann Jobcrafting eine Lösung sein. Dazu gibt es einen eigenen Blogartikel
- Interne/externe Veränderung: Versuche deine Situation zu verändern. Vielleicht gibt es im Unternehmen ein Lösung oder ein spannendes Projekt, um das du dich annehmen kannst. Ist keine interne Veränderung möglich, dann trau dich und schau dich nach Alternativen am Arbeitsmarkt um
- Hilfe suchen: Systemisches Coaching oder Beratung können unterstützen, hinderliche Denkmuster aufzubrechen und helfen bei der Umsetzung oben genannter Handlungsmöglichkeiten – trau dich – mach den ersten Schritt und such dir Unterstützung!
Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen:
- Eingehen auf individuelle Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen durch Mitarbeitergespräche und passende Aufgabenverteilung
- Förderung einer wertschätzenden Unternehmenskultur, offene Kommunikation und psychologische Sicherheit
- Ermöglichung von Weiterbildungen und neuen Projekten zur Weiterentwicklung
- Gute Personalentwicklung sowie Achtsamkeit bei Stellenausschreibungen und Besetzungen von offenen Stellen
- Aufmerksamkeit bei Restrukturierungen, um Frustration und Unterforderung vorzubeugen
- Anbieten von Outplacement, wenn es intern keine Lösung gibt
Fazit:
Boreout ist ein stiller Begleiter, der die Produktivität und das Wohlbefinden von Mitarbeiter:innen erheblich beeinträchtigen kann. Mit gezielten Maßnahmen, Achtsamkeit und einem offenen Austausch können Betroffene und Unternehmen jedoch frühzeitig gegensteuern. Boreout muss nicht das Ende der beruflichen Zufriedenheit bedeuten – vielmehr kann es eine Chance sein, den eigenen beruflichen Weg bewusst zu reflektieren und seinen persönlichen Sinn (wieder) zu finden.