Innere Kündigung: Ursachen

Der Begriff Innere Kündigung ist den meisten Menschen im deutschsprachigen Raum, spätestens seit der Corona-Pandemie, bekannt. Die Pandemie war bei vielen Menschen der Auslöser dafür, den eigenen Job zu hinterfragen und sich vor allem auch mit dem Sinn der eigenen Arbeit zu beschäftigen. Innere Kündigung kennen viele auch unter dem englischen Begriff „Quiet Quitting“, der sich ebenfalls seit der Corona-Pandemie durchgesetzt hat. Eine Person, die innerlich gekündigt hat, verweilt demotiviert und lustlos im Unternehmen und leistet nur mehr „Dienst nach Vorschrift“. Wir alle kennen diese Mitarbeiter:innen-Gruppe und vielleicht hat sich der:die eine oder andere auch schon einmal selbst in dieser Situation befunden. Die Frage ist nun, wie es dazu kommen kann, dass Menschen sich immer weiter von der Organisation distanzieren und welche Gründe es dafür gibt, dass Menschen, die innerlich gekündigt haben, das Unternehmen nicht auch tatsächlich verlassen.  

Ursachen für Innere Kündigung lassen sich in vielen Bereichen finden. Einen wesentlichen Anteil haben die Führungskräfte, die die Motivation und Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter:innen am unmittelbarsten beeinflussen. Es gibt einige Führungsfehler, die dazu führen können, dass die Mitarbeiter:innen enttäuscht werden und innerlich kündigen. Ein klassischer Führungsfehler kann sein, wenn Führungskräfte „Kompetenzräuberei“ betreiben und ständig, ungefragt in den Kompetenzbereich ihrer Mitarbeiter:innen eingreifen. Es entsteht ein Gefühl von „Willkür von Oben“ und Mitarbeiter:innen, die sich übergangen oder gar missachtet fühlen, reagieren mit Resignation. Werden Mitarbeiter:innen nicht in Entscheidungen eingebunden führt das darüber hinaus dazu, dass diese sich nicht wertgeschätzt und beachtet fühlen. Je öfter Mitarbeiter:innen von Entscheidungen ausgeschlossen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese ihr Engagement zurück nehmen, da sie das Gefühl haben, ohnehin nichts beitragen zu können. Umgekehrt sind Mitarbeiter:innen motivierter und können sich besser mit Entscheidungen indentifizieren, wenn sie direkt beteiligt werden. Inwiefern dies geschieht hängt unter anderem stark vom Führungsstil des:der Vorgesetzten ab.

 

Führungskräfte sollten daher einen kooperativen Führungsstil verfolgen, denn Führungskräfte, die von ihren Mitarbeiter:innen wenig halten oder selbst unsicher sind, tendieren eher dazu Mitarbeiter:innen nicht ausreichend einzubinden. Gerade in der heutigen Arbeitswelt ist es enorm wichtig, Mitarbeiter:innen die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Ideen einzubringen. Viele möchten ihre Kenntnisse und Erfahrungen gewinnbringend einsetzen, weil dies wiederum zur Sinnstiftung beiträgt. Werden Mitarbeiter:innen in ihrer Initiative und Kreativität immer wieder gebremst, werden sie früher oder später verstummen und sich zurück ziehen.

Ein weiterer Führungsfehler ist übermäßige Kontrolle, das sogenannte Mikromanagement. Vorgesetzte, die keine Fehler zulassen und Mitarbeiter:innen in ihrer Arbeit ständig kontrollieren erreichen, dass diese sich nichts zutrauen und ihr Engagement zurück nehmen. Wird man für Fehler verurteilt, führt dies dazu, dass Mitarbeiter:innen im Extremfall Angst vor Fehlern entwickeln und vorsichtiger und zurückgezogener werden, um keinen Konflikt zu generieren. Fehlende oder mangelhafte Kommunikation ist ein weiterer Fehler, der zu Innerer Kündigung führen kann. Unternehmen, in denen nicht ausreichend kommuniziert wird oder wo Informationen bewusst zurück gehalten werden, verursachen Unsicherheit und Gerüchte in der Belegschaft, was das Betriebsklima schädigt. Führungskräfte, die darüber hinaus keine regelmäßige, offene Kommunikation mit ihren Mitarbeiter:innen pflegen, verstehen deren Bedürfnisse und Anliegen nicht und können somit auch nicht auf etwaige Veränderungen reagieren. Mitarbeiter:innen, die sich nicht gesehen und gehört fühlen, reagieren mit Enttäuschung und schrauben ihr Leistung zurück, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Kommunikation ist natürlich keine Einbahnstraße und es liegt auch in der Verantwortung eines jeden Einzelnen von uns, Dinge, die uns beschäftigen anzusprechen. Führungskräfte haben aber eine gewisse Vorbildfunktion und es gibt auch Mitarbeiter:innen, denen es oft an Mut fehlt, die eignen Bedürfnisse klar zu kommunizieren.

Eine weitere, wesentliche Ursache für Innere Kündigung ist, wenn Mitarbeiter:innen keine sinnstiftende Tätigkeit ausüben können. Dabei bedeutet Sinnstiftung für die meisten, dass sie generell einen Sinn in ihrer Tätigkeit sehen wollen und wissen möchten, was ihr Beitrag zum Unternehmenserfolg ist. Ebenso ist es wichtig, dass es eine Vision bzw. eine Unternehmensstrategie gibt und dass jede:r Einzelne weiß, wie er:sie dazu beitragen kann. Auch Ziele müssen für Mitarbeiter:innen klar und nachvollziehbar sein, damit sie motiviert sind, diese auch zu erreichen. Ist der Job nicht sinnstiftend hilft es nicht, nette Kolleg:innen zu haben und gut bezahlt zu werden. Auf Dauer wird das Engagement weniger, weil Mitarbeiter:innen nicht wissen, wofür sie tagtäglich ihre Arbeitsleistung zeigen. Sinnstiftung erleben Mitarbeiter:innen auch, wenn sie die Möglichkeit erhalten sich weiterzubilden und zu entwickeln. Dies ist ein wichtiger Hebel, wo auch die Personalentwicklung positiv einwirken kann, um Innere Kündigung zu vermeiden.

Es gibt noch zahlreiche individuelle Ursachen für Innere Kündigung, z.B. zu wenig Anerkennung, mangelnde Karriereplanung oder eine berufliche Sackgasse. Vor allem junge Akademiker:innen, die eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, erwarten häufig von der Organisation, dass es zu einer Beförderung kommt, oder sie die Möglichkeit erhalten, die Karriereleiter zu erklimmen. Tritt dies dann nicht ein, reagieren sie mit Enttäuschung und nehmen ihr Engagement zurück. Gerade bei individuellen Ursachen, wie der beruflichen Sackgasse, kann das HR-Management positiv einwirken. Voraussetzung dafür ist, dass die Führungskräfte regelmäßig mit ihren Mitarbeiter:innen (nicht nur einmal im Jahr im Mitarbeitergespräch) kommunizieren und genau wissen, was diese gerade beschäftigt. So kann rechtzeitig reagiert werden und z.B. eine Stelle intern besetzt werden, wodurch sich für den:die Mitarbeiter:in wieder eine Weiterentwicklung ergibt.

Eine zentrale Frage, die sich bei Innerer Kündigung immer stellt ist: „Warum kündigen Mitarbeiter:innen nicht und verlassen die Organisation?“ In Zeiten von Fachkräftemangel und Bewerbermarkt, könnte man doch annehmen, dass das Risiko, sich ein anderes Unternehmen zu suchen, überschaubar sein dürfte. Nun, einerseits kommt es natürlich immer auf die Situation am Arbeitsmarkt an. Menschen in gefragten Berufen werden vielleicht schneller das Unternehmen tatsächlich verlassen, als andere. Ebenso gut ausgebildete junge Menschen, die gerade erst am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen. Doch es gibt immer Gründe, die gegen einen Wechsel sprechen, wie der Umstand, dass Mitarbeiter:innen lieber in ihrer Komfortzone bleiben, anstatt sich dem Aufwand hinzugeben, sich einen neuen Job zu suchen, der sie wieder motiviert und fordert. Bei diesen Personen ist der Gewinn eines möglichen Jobwechsels noch nicht größer, als der Preis den sie für ein Verweilen bezahlen. Außerdem ist mit einem Wechsel Unsicherheit verbunden, man muss sich neu einarbeiten, neue Kolleg:innen kennenlernen und es stellt sich die Frage: „Ist es wo anders wirklich besser?“ Auch das Alter oder in Österreich die Abfertigung ALT können eine Rolle spielen. Ab einem gewissen Alter ist es nicht mehr so einfach, einen (vergleichbaren) Job zu finden und die Abfertigung ALT ist ein Bindungsfaktor, der nicht zu unterschätzen ist. Personen die diesem Abfertigungssystem unterliegen, würden auf viel Geld verzichten, wenn sie selbst kündigen.

Fazit: Innere Kündigung hat viele Ursachen. Vieles liegt im unmittelbaren Einflussbereich der Führungskräfte. Es gibt aber auch viele Stellschrauben, die HR in der Hand hat, wie eine gute Karriereplanung, Talentmanagement und die Sensibilisierung und laufende Schulung von Führungskräften im Bereich Mitarbeiter:innenkommunikation, Führungsstil und Entwicklung. Um Mitarbeiter:innen dauerhaft zu motivieren, ist eine laufende Kommunikation und ein Arbeiten auf Augenhöhe unerlässlich. Dafür braucht es einen Schulterschluss von allen Unternehmensbereichen, beginnend bei der Unternehmensführung, über die Unternehmenskultur bis hin zu den Mitarbeiter:innen selbst.        

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