Priming – Wie unser Unterbewusstsein beeinflusst wird und wo es im Coaching nützen kann

„Der Begriff Priming kommt aus dem Englischen und kann mit „vorbereiten“, „vorwärmen“ bzw. „bahnen“ übersetzt werden. Priming stellt eine Aufmerksamkeitsfokussierung dar, durch die unbewusst physiologische und emotionale Reaktionen, Haltungen und Absichten aktiviert werden.“ [Kolodej, C. (2022). Priming, Grundlagen des Phänomens. In: Priming – Stärkende Räume entstehen lassen. Springer Gabler, Wiesbaden]

In der Psychologie wird dann von Priming gesprochen, wenn ein bestimmter Reiz die daran anschließenden Denk-, Gefühls- und Verhaltensweisen, die mit dem Reiz in unmittelbarem Zusammenhang stehen, beeinflusst. Priming wird daher als unterschwellige Aktivierung eines ganzen Systems von Assoziationen gesehen [vgl. Küchler, 1991]. Doch was bedeutet das alles? Und wie können wir es uns im Coaching und der Konfliktlösung zu Nutze machen?

Zunächst ist es wichtig, eine Unterscheidung zwischen drei Arten von Priming zu treffen:

 

1.) Wortpriming: In einem Experiment las eine Gruppe Teilnehmer:innen Listen mit positiven und eine andere Gruppe Teilnehmer:innen Listen mit negativen Eigenschaftswörtern. Anschließend wurden beide Gruppen gebeten, eine neutrale Person zu beschreiben. Das Ergebnis war, dass  Teilnehmer:innen, die zuvor positive Begriffe gelesen hatten, die Person positiver beschrieben haben, als jene, die mit negativen Begriffen „geprimt“ wurden [vgl. Higgins, Rholes & Jones, 1977].

 

2.) Visuelles Priming: Eine Studie zeigte, dass Menschen, die Bilder von Geldscheinen sahen, danach weniger hilfsbereit waren. Der Gedanke an Geld verstärkte das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und reduzierte die soziale Kooperationsbereitschaft [vgl. Vohs, Mead & Goode, 2006].

 

3.) Verhaltenspriming: Wenn Menschen zuvor Begriffe wie „Höflichkeit“ oder „Geduld“ gelesen hatten, unterbrachen sie eine andere Person in einer Konversation seltener als jene, die Begriffe wie „Ungeduld“ oder „Unhöflichkeit“ gelesen hatten [vgl. Bargh et al., 1996].

Priming wird schon jahrelang in der Wissenschaft untersucht und es wird viel geforscht auf diesem Gebiet. Eines der bekanntesten Experimente wurde vom Sozialpsychologen John Bargh im Jahr 1996 durchgeführt. Im sogenannten Floridaexperiment musste eine Gruppe der Versuchteilnehmer:innen aus einer Wortreihe Sätze bilden, die typischerweise mit „hohem Alter“ assoziiert werden. Anschließend wurden die Versuchspersonen gebeten, im Raum herumzugehen. Man konnte beobachten, dass die Teilnehmer:innen, die im Vorfeld mit Worten zu „hohem Alter“ Sätze gebildet hatten, um einiges langsamer gingen, als die Teilnehmer:innen, die neutrale Worte verwendet haben. Bargh sah dies als Beweis für das vorab durchgeführte Priming an. Ein ähnliches Experiment wurde von Psycholog:innen durchgeführt, die einer Gruppe Teilnehmer:innen einen Film einer Schildkröte zeigten und der anderen Gruppe einen Film eines Geparden. Im Anschluss sollten beiden Gruppen einschätzen, wie schnell sie eine neutral gehende Person am Bildschirm einschätzen. Die Personen, die den Film mit der Schildkröte gesehen haben, schätzten die Person viel langsamer ein, als jene, die den Geparden durchs Bild laufen sahen. Auch das ist auf das Priming zurückzuführen. Spannend, nicht wahr? 

John Bargh hat im Laufe seiner Forschung noch mehr Experimente zum Thema Priming durchgeführt. Er wollte wissen, welchen Unterschied ein warmes oder kaltes Getränk auf Entscheidungen bei der Einstellung von Personen macht. Seine Versuche haben gezeigt, dass wenn man einer Person ein warmes Getränk serviert, diese Person freundlicher gestimmt ist, als jene, die ein kaltes Getränk vor sich stehen hat. Das warme Getränk ist somit der primende Reiz. In Barghs Experiment hatten die Versuchspersonen die Aufgabe darüber zu entscheiden, ob sie die Assistentin von John Bargh spontan als Mitarbeiterin einstellen würden oder nicht. Das spannende Ergebnis: Der vorherige Kontakt zu einem warmen Getränk führte zu wohlwollenden, positiven Urteilen über John Barghs Assistentin, das kalte Getränk hingegen zu einer eher ablehnenden Haltung. Wenn du also vor einem schwierigen Gespräch oder einem Bewerbungsgespräch stehst, kann es hilfreich sein dem Gegenüber zuerst ein warmes Getränk zu servieren 😉.

Christa Kolodej hat sich in ihrem eingangs erwähnten Buch „Priming – stärkende Räume entstehen lassen“ intensiv mit der Frage beschäftigt, worauf es bei der Gestaltung von Räumen ankommt und wie man sich hier Priming zu Nutze machen kann. Für Coaches ist hier spannend, dass es positiv zur Konfliktlösung beitragen kann, wenn die Coachees auf einem weichen, statt einem harten Sessel sitzen und dass es angenehmer ist, wenn die Sessel nicht frontal gegenüber stehen, sondern leicht schräg, um den Raum zu öffnen und kein Gefühl von Konfrontation zu erzeugen. Das Wissen um Priming kann somit im Coaching gezielt genutzt werden, um positive Veränderungen im Coachingprozess zu fördern. Wenn Klient:innen z.B. mit Worten und Bildern konfrontiert werden, die Optimismus und Erfolg vermitteln, können sie mit größerer Wahrscheinlichkeit positive Denkmuster entwickeln. In Konfliktsituationen kann das bewusste Einsetzen ruhiger und empathischer Sprache dazu beitragen, die Wahrnehmung zu verändern und eine deeskalierende Wirkung zu erzielen. Auch die Motivation kann durch Priming positiv beeinflusst werden. Wenn nötig können Sportler:innen oder Führungskräfte durch gezieltes Priming in einen leistungsfördernden Zustand versetzt werden, indem sie mit Begriffen oder Bildern arbeiten, die Energie und Selbstvertrauen aktivieren.

Fazit: Auch wenn wir denken, dass wir Entscheidungen autonom und selbstbestimmt treffen, zeigt die Forschung im Bereich Priming durch unzählige Experimente, dass wir in einem bestimmten Ausmaß immer durch unsere Umgebung unbewusst beeinflusst werden. Daniel Kahneman, meint dazu: „Auch wenn sich dies nicht mit unserem bewussten Erleben deckt, müssen wir uns mit der befremdlichen Vorstellung abfinden, dass unsere Handlungen und Emotionen durch Ereignisse geprimt werden können, deren wir uns nicht einmal bewusst sind.“ [Kahneman, 2011]. Je mehr wir uns aber bewusst machen, dass dem so ist, desto weniger oft können wir auf diese unbewussten Einflüsse „hereinfallen“ UND Priming gleichzeitig als positives Tool nutzen. Priming zeigt eindrucksvoll, wie sehr unser Verhalten von unbewussten Einflüssen geprägt wird. Im Coaching kann dieses Wissen genutzt werden, um positive Veränderungen zu begünstigen und nachhaltige Entwicklungen zu fördern. Wer sich dieser Mechanismen bewusst ist, kann gezielt Impulse setzen – sei es zur Selbstmotivation, zur Konfliktlösung oder zur Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen.

 

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